Kreativität in der Fotografie

Ich freue mich, als Gast hier diesen – kurzen – Blogbeitrag schreiben zu dürfen. Es soll eine kurze Abhandlung über Kreativität in der Fotografie werden. Oder mit anderen Worten: Wie kann ich mich mit meinen Fotos aus der Masse abheben, mit Fotos, die als „anders“ und originell(er) wahrgenommen werden.

Große und kleine Kreativität

Bitte beachtet: Wenn wir hier von Kreativität sprechen, wird von Euch nicht erwartet, dass Ihr die Fotografie neu erfindet, etwas Weltveränderndes schafft. Kreativität in dieser Größenordnung möchte ich mal als „große Kreativität“ bezeichnen. Da sind wir etwa auf der Ebene der Erfindung des Kubismus, der Entdeckung der Relativitätstheorie oder – was immer noch nicht gelungen ist – einer Weltformel. Von dieser großen Kreativität gibt es nicht so unendlich viel und es bedarf Zeit und sicher auch viel Leidensfähigkeit, Entwicklungen in dieser Richtung voranzutreiben. Das Schöne ist: Es verlangt niemand von Euch, etwas Weltveränderndes voranzutreiben. Man kann auch mit Arbeiten unterhalb dieses „Levels“ mehr als positiv auffallen! Warum ist mir diese Äußerung bzw. dieser Hinweis so wichtig!? Nun, die Erwartungshaltung an sich selbst, nur dann kreativ zu sein, wenn man etwas Einzigartiges und komplett Neues, das die Welt aus den Angeln hebt, zu Stande bringt, bremst und blockiert. Sie führt letztlich dazu, dass man den Kreativprozess nicht startet, weil die Hürden so hoch gesetzt sind. Es werden Erwartungen geschürt, die am Ende nicht zu erfüllen sind.

Aber daneben gibt es auch die sog. kleine Kreativität, um die es hier gehen soll. Mit „klein“ ist nicht gemeint, dass diese Kreativität weniger spannend, weniger erstaunend und weniger wertig ist. Das Gegenteil ist der Fall. Aber was ist kleine Kreativität? Vielleicht können wir auch „Kreativität für den Alltagsgebrauch“ sagen, in der Hoffnung dass es nicht abwertend verstanden wird. Es sind hier die kleinen Dinge und kleinen Änderungen von Bekanntem, die die Kreativität auszeichnen. Sie besagt, dass man durchaus auf Bekanntem, schon Vorhandenem aufsetzen darf und dieses Bekannte als Grundlage nimmt, um seinen eigenen Stil, ein neues Element oder mehrere neue Elemente hinzuzufügen, um durch diese (kleine) Veränderung / Anpassung selbst etwas Neues zu schaffen. Damit ist das Werk als Gesamtheit eben kein Abklatsch oder bloße Kopie, sondern etwas Eigenständiges. Dieses Verändern und Anpassen von Bekanntem ist der kreative Prozess. Viele, eigentlich die meisten großen Künstler arbeiten so. Sie lassen sich von Vorhandenem inspirieren. Wir sind also in guter Gesellschaft!

Bezogen auf die Fotografie: Alles ist irgendwie und irgendwo schon einmal fotografiert worden. Aber eben nicht von mir, mit meinem Blickwinkel und meiner besonderen Sichtweise. Sicher habe ich mit meiner Biografie Sichtweisen, Aspekte und Interpretationen, die andere so nicht gesehen haben oder ihnen nicht wichtig sind.

Wie werde ich als Fotograf kreativ?

Kommen wir nun zu der Frage, wie ich als Fotograf kreativ werden kann. Woher nehme ich die Inspirationen, meine Ideen? 

1. Mein Genre, der eigener Stil

Bevor ich kreativ werden kann, ist es nicht nur in den meisten Fällen, sondern immer gut zu wissen, wo ich denn kreativ werden will. Das führt uns zu der grundlegenden Frage: Was ist das Genre, das mich reizt zu bearbeiten? Denn in der Umsetzung von Dingen, die mich interessieren, die mich packen und an denen mein Herz hängt, fällt es wesentlich leichter, Energie zu stecken und Ideen zu entwickeln. Und ein wesentlicher Aspekt: Es soll ja Freude machen. Wenn man etwa nur des Geldes wegen tätig wird oder weil andere es wollen, wird man es in der Regel nicht weit bringen. Bei mir persönlich ist es die Menschenfotografie – ich gebe zu, in der Regel Damen (aber eben auch Herren), sei es die FineArt Aktfotografie, Portraits oder auch die Fashion-Fotografie. Daneben interessieren mich noch Landschaftsfotografie und UrbanLife. Aber eben im Wesentlichen Menschen. Mit Blümchenfotografie – das soll nicht abwertend sein – kann ich so gar nichts anfangen. Hier werde ich es sicher nicht zur Meisterschaft bringen.

Wissen wir mit dem Genre in etwa, „was“ wir fotografieren wollen, geht es im Stil darum, „wie“ wir fotografieren. Welche Umsetzungen reizen uns? Was bewegt uns hier? Was ist meine Aussage? Auch der Stil ist geprägt durch die eigene Präferenz. Was spricht mich an? Dem kann man sich sinnvoll nähern, indem man analysiert, welche Bilder anderer Fotografen (oder weiter gegriffen: anderer Künstler – warum nicht die Bildhauerei der Antike oder Malerei des Mittelalters etc.) einen selbst ansprechen. Hierbei geht es nicht nur um´s Schauen, um des Schauens willen. Es ist vielmehr eine grundsätzliche Analyse der Bilder (nicht einzelner Motive), die man mag. Man analysiert, warum man sie mag. Man analysiert die Bildelemente, wie Hintergrund, Schnitt, Haltung, Schwarzweiß oder Farbe und und und. Welche Elemente haben all die Bilder gemeinsam, was ist das Verbindende? Mit diesem Wissen kann man starten und schauen, in welche Richtung die eigene Reise gehen soll.

Mein persönlicher Bildstil: Ich mag das Minimalistische. „Reduce to the max“. Ich mag ruhige Hintergründe, aufgeräumte Bilder. Nichts soll vom Hauptmotiv ablenken. Dementsprechend haben viele Bilder von mir einfarbige Hintergründe. D. h. eben kein Rokoko-Interieur mit Blumenapplikationen im Hintergrund und ähnliches. Ich mag grafische Bildwirkungen; dabei hilft mir die Umsetzung in Schwarzweiß. Schwarzweiß-Fotografie abstrahiert und gibt Bildern eine grafische strukturelle Wirkung. Nicht umsonst hat Peter Lindbergh einmal gesagt „Farbe schmeichelt, aber Schwarzweiß berührt die Seele“. Und nicht zuletzt: Ich mag ein simples und klar strukturiertes Licht. Deutliche Licht und Schattensetzung und kontrastreiche Bilder. Mit einem soften Wischiwaschi-Licht kann ich (i. d. R.) nicht viel anfangen. Licht und Pose geben den Bildern Kraft. Aus den vorgenannten Gründen mag ich vor allem die Arbeit im Studio, da mir dieses die Möglichkeit gibt, mir meine Hintergründe und mein Licht selbst und ganz gezielt zu gestalten.

2. Inspiration für konkrete Fotos

Woher kommen nun die Ideen, die Inspirationen für die konkreten Fotos bzw. Fotoprojekte? Wie kann man „originell“ sein und dem Betrachter auffallen, insbesondere in dieser schnelllebigen Socialmedia-Zeit? Das Wort „auffallen“ bzw. unter einem längerfristigen Aspekt „Wiedererkennung“ ist hier bewusst gewählt. Allein auf Facebook – gleiches gilt etwa für Instagram & Co. - werden täglich Millionen von Bildern hochgeladen. Was nicht sofort als „anders“ ins Auge springt, hat „verloren und wird nicht betrachtet, da der Daumen schon weiter gescrollt hat.

Bei mir ist es so, dass ich mir zur Erarbeitung konkreter Bildideen sehr viele Bilder ansehe. Insbesondere Bildbände von Fotografen, die ich schätze. Oder sonstige Künstler. Auch in Zeitschriften finden sich Ideen und Anregungen. Eine Quelle können auch Szenen aus Filmen sein. Kultszenen wie aus „Pulp Fiction“ oder „Star Wars“ etc. können entliehen werden, um damit etwas anderes zu kreieren. Zunehmend öfter schaue ich auch bei Instragram vorbei und schaue mir dort Arbeiten anderer Fotografen an. Das müssen nicht nur Arbeiten aus dem Genre sein, in dem ich fotografieren möchte. Wenn ich Fashion fotografiere, können durchaus auch Arbeiten aus dem Bereich Streetfotografie (z. B. ein Schattenverlauf, eine Bewegung, eine Szenerie) spannend sein, oder aus der Sportfotografie. Wichtig ist mir persönlich, dass es gute und hochwertige Arbeiten sind, eben von den Besten. Bleibe ich hier bei einem Bild oder mehreren Bildern hängen? Welche Bilder sprechen mich an oder lassen mich innehalten. Was ist das faszinierende Element daran? Oftmals gibt es eine spannende Szenerie. Dann wiederum begeistert das Lichtsetup“, ein interessantes Requisit (z. B. Hüte) oder auch spannende Bildschnitte. Und nicht zu letzt: Manchmal erleben wir „im wirklichen Leben“, Situationen, die inspirieren.

Merke: Es gilt schauen, schauen, schauen. Wer sich viele Inspirationen holt und mit offenen Augen durch die Welt geht, wird sich ein unglaubliches Repertoire an „Hintergrundideen“ ansammeln, die sich zu geeigneter Zeit im Hirn nach vorne drängen. Bitte unbedingt aufschreiben.

Habe ich dann zu der gefundenen Inspiration eine Idee, wie man auf diesem Bild aufbauen kann? Welche eigenen Elemente kann ich hinzufügen, damit etwas Neues entsteht. Kann ich das gesehene in einen neuen Kontext stellen? Oftmals ist es so, dass mir ein Bild, eine tolle Arbeit oder konkrete Situation im Gedächtnis hängen bleibt. Ich bin dann begeistert und möchte damit etwas machen, habe aber noch keine konkrete Idee. So sehr ich auch nachdenke, es kommt keine Idee zu der tollen Inspiration. Es ist dann gut, diese Inspirationen wiederauffindbar (!) abzuspeichern und später darauf zuzugreifen. Denn zum kreativen Prozess gehört auch, loszulassen und erst einmal weiterzugehen. Das Schöne an der Kreativität ist, dass sie einem ab einem gewissen Punkt entgegenkommt: Ich habe an einer Idee gearbeitet, es kam nichts dabei heraus und ich habe die Idee dann losgelassen. Später und oftmals unverhofft (z. B. im Schlaf, beim Abwasch, Bügeln oder ähnlich spannenden Tätigkeiten) kommt dann unverhofft ein Gedankenblitz zu der Inspiration und eine Idee reift zu dem Thema, das ich zuvor losgelassen habe.

Und manchmal genügt ja auch ein wundervolles Lächeln in einem Portrait oder ein subtiler Akt in ansprechendem Licht. Es muss ja nicht immer etwas „Außergewöhnliches“ sein, was begeistert. So etwas die nachfolgenden beiden Bilder.

 Hier mal ein paar Beispiele aus meinem Fundus mit Erläuterungen:

Doppeltes Model:

Hier hatte ich die Idee, ein Modebild zu machen, auf dem das Model zweimal zu sehen ist. Einmal als Modeportrait und ein weiteres Mal im Hintergrund als Ganzkörperaufnahme. Ich habe – mit Kamera auf dem Stativ – zwei Bilder gemacht, die ich per Photoshop dann zu einem zusammengefügt habe.

 
 

Shadowman:

Bei nachfolgendem Bild wollte ich ein Portrait, auf dem mehr als das Gesicht vorhanden ist, aber nur das Gesicht erkennbar. Also habe ich den restlichen Körper in der Aufnahme abgeschattet, so dass dieser Teil dann vollkommen schwarz war. Der rote Hut sticht dann in der Aufnahme als farbiges Accessoire zusätzlich hervor. Das Ganze sollte dabei eine eher grafische Wirkung haben. Inspiriert war das Bild durch eine Arbeit des Fotografen Albert Watson. Dieser hatte aber – anders herum – die Gesichter abgeschafft.

 
 

Flamenco:

Diese Aufnahmen waren inspiriert durch das ausladende Kleid, das mich an spanische Flamencotänzerinnen erinnerte. In diesem Sinne sollten dann auch die Bewegungen des Models sein. Die Bilder sollten durch eine extreme Beleuchtung (von rechts und sehr weit von oben) und starke Schwarzweiß-Kontraste zusätzlich eine dynamische, durchaus düstere Komponente erhalten.

Ungewöhnliche Formate:

Die beiden hier gezeigten Beispielsbilder wurden im Hochformat im 16:9 Format aufgenommen. Das war schon in der Aufnahme so geplant, um eine besondere Bildwirkung zu erhalten. Hochformat hat an sich bereits eine eher dynamische Wirkung. Das extreme 16:9-Format, das eher bei Landschaftsaufnahmen – im Querformat - verwendet wird, verstärkt dies noch. Bei dem Bild von Valeri kommt hinzu, dass ich oben bewusst ganz viel Platz (man spricht von negativem Raum) gelassen habe, um dem Bild etwas „Luftiges“ zu verleihen … trotz oder gerade wegen der Muskeln.

 
 

Out of Fokus:

Heutzutage ist es mit den modernen Kameras ein Kinderspiel, Bilder zu schaffen, auf denen die Person oder der Gegenstand scharf abgebildet sind. Warum nicht anders und ein Bild machen, dass bewusst unscharf, also out-of-Fokus ist, um die Fantasie des Betrachters anzuregen? Und nein, das ist kein verunglückter Schuss, sondern bewusst so gestaltet! Die eher krasse Farbgebung tut sein Übriges.

 
 

Grafische Wirkung:

Bei nachfolgenden Bildern ging es mir um eine grafische Wirkung, die ich durch eine Schwarzweiß-Umsetzung zu erreichen versucht habe. Bei dem linken Bild kommt diese insbesondere durch das schwarze Kleid, das wie ein Dreieck wirkt, zustande. Auf dem „Dreieck“ sitzt dann der Kopf mit der symmetrischen Frisur. Das rechte Bild ist total reduziert auf den schwarzen Hut oben, der einen Schatten auf das Gesicht wirft, und das schwarze Top unten. Der Schatten rechts lenkt den Blick zudem auf das helle Gesicht.

Bei dem dritten Bild von Pascal wird die grafische Wirkung über die Pose und die Schwarzweißbearbeitung erreicht.

Schatten:

Bei nachfolgenden Bildern war beabsichtigt, mit Schatten als formgebenden Element zu arbeiten und eine Reduktion zu erreichen.

Dynamische Bewegungen:

Dieses Bild ist (spontan) inspiriert durch die Durchtrainiertheit des Models. Ursprünglich hatte ich mit diesem tollen Licht (4 Blitze!) eher statische Posen im Sinn. Dann kam mir die Idee, warum nicht eine Sprinterin imitieren. Das Bild ist eines meiner bekannteren Bilder, es war in 2020 das Cover des FineArt-Printer Magazins.

„Hartes“ in zartem Licht:

Valeri ist Bodybuilder mit extremen Muskeln. Eine echte Kante! Ich wollte ihn aber nicht als klassischen Bodybuilder mit den entsprechenden Posen abbilden, sondern ein eher sinnlich-zerbrechliches, nachdenkliches Bild schaffen. Also habe ich eine eher nachdenkliche, verträumte Pose mit einem sehr weichen Licht (direkt von oben) verwendet. Hier das Ergebnis.

Und nochwas …

Hier mal nichts mit Inspiration, dafür mit Inspirator. Ein Bild von mir, damit Ihr auch wisst, wer diesen Beitrag geschrieben hat!

Wenn Euch das Thema“Kreativität“ in der Fotografie interessiert, empfehle ich Euch das Buch „Die Seele der Kamera“ von David du Chemin (dpunkt.verlag, ISBN 978-3-86490-469-1)

Weitere Arbeiten von mir findet Ihr auf meiner Webseite

www.thomasschroeer.de

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Gerne weise ich darauf hin, dass ich gerade ein Webinar zum Thema „Grundlagen der Fotografie“ vorbereite, den ich ab Januar anbiete. Hier geht es darum, Euch die Grundlagen der Fototechnik und der Bildgestaltung verständlich und nachvollziehbar beizubringen. Für weitere Informationen sprecht mich gerne an unter ts@thomasschroeer.de

Und zu guter Letzt: Alle hier gezeigten Bilder können als hochwertige und limitierte FineartPrints erworben werden. Weitere Bilder im Shop auf meiner Webseite. Auch hier: Sprecht mich gerne an!

Sonnige Grüße

Euer Thomas

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