80/20 Ansatz für Perfektionisten

In diesen Zeiten voller Homeoffice, Homeschooling, exponentiell gestiegener Hausarbeit und größtmöglicher Belastung meiner Stressresistenz möchte ich mich selbst noch einmal mit dem 80/20 Ansatz auseinandersetzen. Dieser ist mir in der letzten Zeit an vielen Stellen in den Sinn gekommen und gibt bei dem Gefühl, dass zu viel Arbeit in zu wenig Zeit erledigt werden muss, eine gute Hilfestellung. Als passionierter Perfektionist muss ich mir das Prinzip und die Vorteile nur regelmäßig selbst in Erinnerung rufen und mich zur Umsetzung mahnen.

Der 80/20 Ansatz, auch Pareto-Prinzip genannt, ist schnell erklärt. Vilfredo Pareto fand schon im Jahr 1906 heraus, dass bei vielen Aufgaben bereits mit 20 Prozent des Aufwands etwa 80 Prozent der Ergebnisse erreicht werden. Ein Großteil des gewünschten Ziels wird also meist nur von einem kleinen Bereich der eingesetzten Mittel umgesetzt. Um die weiteren 20 Prozent bis zur 100 voll zu machen bedarf es jedoch 80 Prozent Mehraufwand. Diese Erkenntnis wird in der heutigen Zeit oft in der Projektorganisation oder im persönlichen Zeitmanagement angewandt. Und wenn ich in diesen Tagen etwas brauche, dann ist es ein effizientes Zeitmanagement um all den anstehenden Aufgaben Herr zu werden!

Praktischer Weise lässt sich der 80/20 Ansatz auf viele Lebensbereiche anwenden. 20 Prozent der Emails, die wir im Job täglich versenden und erhalten, führen zu 80 Prozent des produktiven Tagesergebnisses. Der Rest ist zusätzliche Arbeit, die bei näherer Betrachtung als unproduktiv angesehen werden muss und damit nicht zum Erfolg aus einer reinen Kosten/Nutzen Sicht beiträgt. Die Vorbereitung eines Termins kann schon in kurzer Zeit mit guten Ergebnissen abgeschlossen werden, wohingegen die weiteren 80 Prozent dazu aufgewendet werden, das Sahnehäubchen der Perfektion obendrauf zu setzen. Mit minimalem Aufwand können Nudeln mit Tomatensoße gekocht werden, die zwar nicht meinem Anspruch an eine vitaminreiche, ausgewogene Ernährung entsprechen, wie es ein aufwändig hergestellter Gemüseauflauf tun würde, die aber alle aus der Familie begeistert aufessen. Die Liste lässt sich beliebig lange fortsetzen.

Wenn wir also diese 80 Prozent unserer täglich aufgewendeten Zeit, die uns weder persönlich noch unternehmerisch weiterbringt, eliminieren, haben wir einiges an Lebensqualität gewonnen. Wir können uns auf die Dinge konzentrieren, die zu Ausgeglichenheit und Zufriedenheit führen, soziale Kontakte pflegen, ein Buch lesen, Zeit für uns genießen. Was für eine Traumvorstellung!

Natürlich setzt dies voraus, die 20 Prozent der wirklich nützlichen Tätigkeiten herauszufiltern, damit nicht genau an der falschen Stelle gekürzt wird. Dies sehe ich durchaus ein und es ist spannend, sich einmal einzelne Lebensbereiche herauszugreifen und danach zu hinterfragen. Wenn es aber dann darum geht, Dinge nicht zu machen oder nur überschlägig zu erledigen oder gar abzugeben, schaltet der Perfektionist in mir auf Autopilot. Ich mag es nicht, Fehler zu machen. Schon die Möglichkeit, einen Fehler zu machen, führt dazu, dass ich alles lieber noch einmal hinterfrage und durchdenke. Ich ärgere mich, wenn etwas nicht so funktioniert, wie ich es möchte. Damit gehöre ich leider auch zu den Menschen, die es lieber schnell selbst machen als über andere zu verzweifeln. Und das ist eine Abwärtsspirale, denn es gibt immer etwas zu erledigen und wenn anderes noch nicht abgeschlossen ist oder noch an den letzten 20 Prozent gefeilt wird, wird der Arbeitsberg höher und höher.

Ich habe festgestellt, dass es für mich einfacher ist, mich dem 80/20 Ansatz nicht auf der Sachebene zu nähern. Mich also nicht zu fragen, welche Dinge ich weniger machen kann und damit von vorneherein zu akzeptieren, dass im Ergebnis nur 80 Prozent herauskommen werden. Diese Sichtweise, von den stets angestrebten 100 Prozent abzurücken, fühlt sich für mich nach Niederlage an. Für einen Perfektionisten wie mich ist es einfacher, gedanklich auf der Zeitebene zu kürzen. 10 Minuten die Küche aufräumen, danach startet der Familienfilm. 20 Minuten konzentriert Emails abarbeiten, danach gibts eine Kaffeepause. Oft stelle ich dann fest, dass in der gesetzten Zeitspanne schon einiges fertig wurde. Mit etwas Abstand nach dem Kaffee oder dem Familienfilm kann ich dann ein wenig entspannter bewerten, ob das Ergebnis so schon zufriedenstellend ist oder es sinnvoll ist, an den letzten 20 Prozent zu feilen.

Für die konkrete Umsetzung möchte ich noch hinzufügen, dass es leichter ist, mit kleinen Zeitpaketen zu arbeiten. In 20 Minuten eine Seite vorbereiten ist als kurzfristiges Ziel einfach besser vorstellbar als das Ziel, die gesamte Unterlage in einer Woche fertiggestellt zu haben. Ich rate auch dringend davon ab, zu viele Zeitpakete in einen Tag zu packen. Beim 80/20 Ansatz geht es ja gerade darum, Freizeit zu gewinnen! Und nicht alles vorzuplanen, sondern die Einteilungen flexibel am Tag selbst vorzunehmen. Dies hat auch den Vorteil, dass der Perfektionist in mir weiß, dass es bei unvorhergesehenen Problemen zumindest noch etwas Puffer gibt, sie zu korrigieren. Mit dieser Gewissheit ist das Pareto Prinzip durchaus auch für Perfektionisten umsetzbar.

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